Die ISO 50003 – die große Veränderung

Die ISO 50003 wird die Energiemanagementsystem-Welt verändern – soviel steht heute bereits fest. Ob es neue Kalkulationsregeln für Auditzeiten oder auch die explizite Forderung einer nachweisbaren Verbesserung der Energieeffizienz sind: Ab Oktober 2017 stehen grundsätzliche Neuerungen in Aussicht. Nachweisbare Verbesserung der Energieeffizienz wird erwartet „Die Bestätigung der fortlaufenden Verbesserung der energiebezogenen Leistung ist für die Ausstellung der Re-Zertifizierung notwendig“ (DIN ISO 50003:2016-11, Kapitel 5.9). Dieser Satz mag unscheinbar klingen, stellt aber eine bedeutende Änderung in der Auditpraxis dar. Der Auditor ist damit im Rahmen des „Zertifizierungsaudits“ aufgefordert die fortlaufende Verbesserung zu kontrollieren und zu bestätigen.

Weitere Normen der ISO 50000-Familie rücken in den Fokus

Um eine nachweisbare Verbesserung der Energieeffizienz („der energiebezogenen Leistung“) vorweisen zu können, werden in Ergänzung zur ISO 50003 weitere Normen der ISO 50000 Familie interessant: die ISO 50004, die den kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Detail beschreibt, die ISO 50006, die sich mit Energieleistungskennzahlen beschäftigt und die ISO 50015, die die Bestimmung der energiebezogenen Leistung, sowie die Messung und Verifizierung von Energieeffizienzmaßnahmen beinhaltet.

Ist die Verbesserung der energiebezogenen Leistung neu?

Die entscheidende Frage mit Blick auf die ISO 50003 ist natürlich was als nachweisbare Verbesserung der energiebezogenen Leistung gilt. Ein weit verbreiteter Irrtum war, zum Zeitpunkt der Neuregelung des „Spitzenausgleichs“ (Strom- und Energiesteuergesetz) im Jahre 2012, dass jeder zertifizierte eine jährliche Energieeffizienzverbesserung von 1,3% pro Jahr vorzuweisen hätte – dies entspricht selbstverständlich nicht der Realität. Die „Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Steigerung der Energieeffizienz vom 1. August 2012“ besagt vielmehr, dass die gesamte produzierende Industrie ein Einsparziel erhält. Die verfolgte Kennzahl ist die „Energieintensität“ der produzierenden Industrie. Die Fehlinterpretation der Bilanzgrenze hatte für viele Betriebe jedoch zur Folge, dass man sich Gedanken darüber machte mit welchen Teilaspekten bzw. für welche beeinflussbaren Bereiche eine forderungsgemäße Energieeinsparung nachgewiesen werden könnte. Mit diesem Missverständnis aus der Energiemanagementpraxis kommen wir dem Nachweis der Verbesserung der energiebezogenen Leistung mit schnellen Schritten näher.

Die Weiterentwicklung eines Energiemanagementsystems

Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass die neue Anforderung eine bereits untrennbar mit der ISO 50001 verbundene Forderung ist, lediglich mit neuer Verbindlichkeit unterstrichen: die kontinuierliche Verbesserung. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass darüber hinaus die ISO 50003 nicht nur von der Verbesserung der Energieeffizienz, sondern auch der Verbesserung des Energiemanagementsystems spricht, also der Weiterentwicklung der Summe aus Vorgabe- und Nachweisdokumentation, der Energiedatenerfassung, der energierechtlichen Bewertungen, bestimmter energierelevanter Prozesse oder auch der Aus- und Weiterbildung.

Aufgrund der konkreteren Messbarkeit und der besonderen Hervorhebung im Zuge der Re-Zertifizierungsaudits konzentrieren wir uns jedoch in diesem Artikel auf die Verbesserung der energiebezogenen Leistung, anders ausgedrückt die Steigerung der Energieeffizienz. Auch dieses Element ist durchaus nichts Neues, nur räumt die ISO 50003 nun endgültig mit der theoretischen Möglichkeit auf, dass selbst ein energieeffizienztechnisch nicht fruchtendes, aber systematisch einwandfreies Managementsystem einem Auditor praktisch keine Möglichkeit gibt eine „Nichtkonformität“, sprich eine „Abweichung“ festzustellen. Unter „Praktikern“ findet sich hier auch eine bisher häufig geäußerte Kritik an der ISO 50001: Sie sei praxisfern und würde die Bürokratie im Unternehmen erhöhen – und man würde sich diesem Zwang nur wegen der Umlage- und Steuerreduktion unterwerfen.

Wie kann eine nachweisbare Verbesserung dokumentiert werden?

Praktisch gesprochen heißt es, dass das Unternehmen sich Ziele zu setzen und an der Erreichung dieser Ziele zu arbeiten hat. Setzt sich beispielsweise ein Unternehmen der Glasindustrie das Ziel die Energieeffizienz der Lüftungsanlagen um 10% bezogen auf einen gewählten Kennwert zu verbessern und kann dies durch Maßnahmen und eine nachvollziehbare Erfolgskontrolle nachgewiesen werden, so ist hiermit die Anforderung der ISO 50003 erfüllt. Dies ist auch weiterhin der Fall, wenn das Unternehmen bedingt durch den Produktionsprozess und den Alterungsprozess der Schmelzwannen, in Summe seinen Energieverbrauch erhöht, denn natürlich wäre es nicht verhältnismäßig, eine Überholung der Schmelzwannen außerhalb des Regelturnus und ohne technischen Defekt durchzuführen. Da die Schmelzwannen jedoch einen dominierenden Einfluss auf den Gesamtenergieverbrauch haben, können die Maßnahmen an den Lüftungsanlagen diesen Effekt nicht kompensieren.

Ein anderes Beispiel kann eine Großbank sein, deren Hauptenergieverbrauch sich auf die genutzten Gebäude bezieht. Auch wenn die komplette Beleuchtungstechnik auf LED umgestellt wurde und damit ein verfolgtes Ziel in die Umsetzung erfüllt wird, so könnte ein Rechenzentrumzuwachs oder beispielsweise die Verlagerung von Rechenzentrumskapazitäten an einen zentralen Standort diesen Effekt – bezogen auf den Gesamtenergieverbrauch – schnell wieder zunichte machen. Wir können hier dennoch von einer nachweisbaren Verbesserung der Energieeffizienz sprechen, wenn die Maßnahme des Beleuchtungstausches nachvollziehbar dokumentiert wurde.

Eine andere Möglichkeit wäre in diesem Fall, dass der Stromverbrauch aufgrund des Rechenzentrumzuwachses steigt, jedoch keine weiteren Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz die Amortisationsvorgaben erfüllen. Wird in diesem Fall beispielsweise der Fokus auf die Wärmeseite gelegt und beispielsweise mittels einer Analyse nach DIN EN 15378 die Energieeffizienz des Heizungssystems nachweisbar gesteigert, so liegt auch in diesem Fall eine nachweisbare Verbesserung vor, die den Anforderungen der ISO 50003 genügen würde.

ISO 50015 – Messung und Verifizierung

Möglicherweise halten Sie obige Beispiele für selbstverständlich und dies entspricht bereits heute Ihrem Verständnis der ISO 50001. Glückwunsch, dann müssen Sie in diesem Punkt für die Erfüllung der ISO 50003 einfach weitermachen wie bisher – und dies ist durchaus möglich, wäre es doch sicher unzutreffend zu unterstellen, dass die Mehrheit der existierenden ISO 50001 Systeme keine Verbesserungen vorzuweisen hätte und das Thema der Erfolgskontrolle von Maßnahmen („Messung und Verifizierung“) nicht verfolgen würde. Eine Orientierung, wie systematisch mit der Setzung von Zielen, aber insbesondere auch der Messung und Verifizierung umgegangen werden kann, gibt insbesondere die ISO 50015. Beim Studium dieses Standards wird unter anderem klar, dass „Etappenziele“ bzw. messbare und beeinflussbare Kennzahlen in Verbindung mit Energieeinsparmaßnahmen ein geeignetes Mittel sind, um eine Verbesserung nachzuweisen.

ISO 50003 – Verbesserung der Energieeffizienz

Die DIN ISO 50003:2016-11 führt in Anhang C diverse Beispiele für eine mögliche nachweisbare Verbesserung der Energieeffizienz auf – auch wenn der einfachste mögliche Fall nicht eintritt, dass der Gesamtenergieverbrauch bei gleichbleibender Auslastung sinkt. Durchschnittlich werden mehr Audittage erforderlich Das bisherige, durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) vorgegebene Rechenschema für die Auditzeiten an Standorten berücksichtigt Faktoren, wie den wirtschaftlichen Sektor, die Komplexitätsklasse (Anzahl der Energieträger und Energierelevanz), sowie die Mitarbeiteranzahl.

Auf dieser Basis ergibt sich für Erstzertifizierungen von Industrieunternehmen ein Basiswert von zwei Audittagen. Darüber hinaus werden bestimmte Faktoren für die Verrechnung zusätzlicher Standorte bzw. die angemessene Einbindung unbemannter Standorte berücksichtigt. Im Zuge der ISO 50003 wird ein leicht abgewandeltes Verfahren der Auditzeitberechnung angewendet. So fällt beispielsweise die Einteilung in die bisherigen Sektoren „industriell“ und „nicht industriell“ weg. Dafür werden künftig die Anzahl signifikanter Energieverbraucher und anstelle der gesamten Mitarbeiteranzahl die Anzahl des EnMS-wirksamen Personals – also jenes Personal mit einem wesentlichen Einfluss auf den Energieverbrauch – an einem Standort berücksichtigt.

Zertifizierer und Unternehmen stehen dabei gleichermaßen vor der Herausforderung Wege zur Ermittlung der einzelnen Faktoren zu definieren und diese sinnvoll einzugrenzen. Über eine in der Norm vorgegebenen Formel wird anschließend die Energiekomplexitätsklasse berechnet, welche zusammen mit dem effektiven Personal die Auditzeit ergibt. Bemerkenswert hierbei ist die Basisauditzeit von drei Audittagen als kleinstmöglicher Wert, welche automatisch eine Erhöhung der Auditzeit für alle Unternehmen mit sich bringt. Wird eine höhere Komplexitätsklasse bzw. Anzahl an effektivem Personal einbezogen, so erhöht sich die Auditzeit damit im Durchschnitt voraussichtlich um 30 bis 50%.

Das Fazit zur ISO 50003

Fazit Mit der ISO 50003 kommt nun „mehr Fleisch an den Knochen“ wo dies möglicherweise gefehlt haben könnte. Die Auditpraxis und die technische Tiefe von Zertifizierungsaudits werden sich damit ändern, die nachweisbare Verbesserung der Energieeffizienz wird ein wichtiges künftiges Kriterium werden. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Auditzeit steigen wird und dies eine tiefergehende Prüfung durch den Auditor ermöglicht. Für zertifizierte Unternehmen heißt dies, dass ein tieferer Blick in technische Details, messtechnische Erfassungen und Erfolgskontrollen unentbehrlich wird.

Für uns bei TENAG war die ISO 50001 schon zu Ihren Anfängen, auch noch zu Zeiten der DIN EN 16001, stets ein positiver Organisationsrahmen, der dem nachhaltigen und effizienten Umgang mit Energie dienen soll. Unsere Erfahrung der letzten acht Jahre mit diesen Standards – ob als Berater oder Auditor – ist, dass eine Vielzahl der Systeme energietechnisch weit hinter der Erwartungen bleiben, oft das Zertifikat und der Zertifikatserhalt im Vordergrund stehen und in manchen Fällen sogar regelrechte „Parallelwelten“ geschaffen wurden. Von der ISO 50003 erwarten wir, dass eine Korrektur zum eigentlichen Inhalt eines Energiemanagement geschaffen wird: Der Verbesserung der Energieeffizienz und, dass diese künftig auch im Audit stärker in den Fokus rücken wird und wir als Auditoren über den Tellerrand der Systematik hinausblicken dürfen und werden. Ich wünsche viel Erfolg und gutes Gelingen mit diesem neuen Standard, sowie viele positive Erfahrungen.

Geschrieben von Matthias Lisson, Geschäftsführer der TENAG GmbH

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